Der heißeste elektrische Zweisitzer

Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, den heißesten elektrischen Zweisitzer im Jahr 2025 zu fahren: den brandneuen Nissan Silence. Danke an das Autohaus Wegener in Berlin!

Die Kernfrage für die Testfahrt: Ist das Fahrzeug ein akzeptabler Nachfolger des ehrwürdigen Renault Twizy?

Der heißeste elektrische Zweisitzer - Nissan Silence

Oh, kein E-Kennzeichen? Stimmt, aber das Gefährt hat ohnehin keinen Typ 2-Anschluss. Dennoch sollte man sich für ein E-Kennzeichen entscheiden.

Der Kilometerstand auf dem Teil war 68 Kilometer, ziemlich frisch aus der Packung.

Von hinten sieht der Twizy hübscher aus – oder sagen wir mal: origineller. Wie vormals den Twizy gibt es den Silence in zwei Versionen: Als L6e mit maximale 45 km/h Höchstgeschwindigkeit und als L7e mit 85 km/h Topspeed. Beide Varianten gibt es mit einer oder zwei Batterien.

Der Kofferraum ist vorhanden und relativ geräumig. Die Heckklappe öffnet auf elektrischen Knopfdruck nach oben und wird durch Gasdruckdämpfer unterstützt. Im Gegensatz zum Kofferraum eines Smart ist er wesentlich tiefer, weil es keinen Motorraum im Heck gibt. Eine Laderaumauskleidung oder Abdeckung gibt es nicht, das harte Plastik dominiert. Aber auch das kennen wir bereits vom Twizy.

Deutlicher Unterschied: Die Sitze im Nissan sind nebeneinander angeordnet. Sie sind deutlich in der Tiefe versetzt, um zwei Insassen genügend Schulterfreiheit zu bieten.

An dieser Stelle gleich der erste wichtige Hinweis: Wer bei der Bestellung nur eine einzige Batterie mitbestellt, muss sich den zweiten Batterieplatz von Nissan freischalten lassen, was zusätzliche Kosten verursacht. Doch immerhin ist das auch nach der Auslieferung möglich, falls man die Batteriekapazität im Nachhinein verdoppeln möchte.

Die zweite Batterie hat auch noch einen weiteren Vorteil: Man könnte sie herausnehmen, ins Auto stellen und dort mit der mitgenommenen großen Powerstation nachladen, während man fährt. Diesen Trick des Ladens beim Fahren bietet kein anderes Elektroauto! Aufgrund der relativ langen Ladezeit von 6-8 Stunden ist diese Option ohnehin eher theoretischer Natur.

Die Batterien werden durch das Fahrzeug weder geheizt noch gekühlt, denn entsprechende Anschlüsse gibt es an der Batterie mit 5,6 kWh Energiehinhalt in Eisenphosphat-Technik nicht.

Für das Aufladen benötigt man lediglich ein einfaches Kaltgerätekabel vom Typ IEC 60320 C13, das man entweder an der Buchse unter der Frontklappe oder direkt an die ausgebaute Batterie anschließen kann. Kein Ladeziegel. Einfacher geht es nicht.

Das Konzept hat allerdings auch Nachteile: Das Laden an öffentlichen Ladesäulen ist eher keine Option, da man einen Typ 2-Adapter mit zweifelhafter Legalität verwenden müsste und das Schuko-Kabel nicht verriegelt werden kann. Jeder Passant könnte somit den Ladevorgang abbrechen.

Aufgrund des Einsatzprofils ist die hauptsächliche Ladeoption vermutlich die Gartensteckdose. Wer diese Möglichkeit nicht hat, nimmt die Batterie zum Laden einfach mit nach Hause. Wer weder privat noch öffentlich aufladen kann, hat mit dem Nissan Silence eine durchaus praktikable Alternative.

Mit zwei Batterien kann man abwechselnd aufladen, sodass das Fahrzeug immer für eine Fahrt bereitsteht. Das ist durchaus relevant, denn eine Möglichkeit für Schnellladung gibt es nicht.

Im Innenleben des Fahrzeugs sieht es zwar nicht top-aufgeräumt aus, aber zumindest funktional und kostengünstig.

Die Wechselstationen für die Batterien, mit denen Nissan eine Ladezeit von 30 Sekunden angibt, gibt es in unseren Breiten derzeit nicht und wird es in absehbarer Zeit bei uns auch nicht geben. Mit 41 Kilogramm pro Stück sind sie nicht extrem handlich, doch sie sind mit eingebauten Trolley-Rädern ausgestattet.

Beim Entnehmen aus dem Fahrzeug klappen sie automatisch aus. Mit dem Teleskopgriff kann die Batterie vergleichsweise bequem bewegt werden. Aber wie erwähnt: 41 Kilo.

Die Batterieöffnungen verschwinden hinter den Türen, sodass sie vor unwillkommenen Interessenten sehr gut geschützt sind. Zusätzlich müssen die Batterien vom Innenraum aus entriegelt werden, bevor man sie herausziehen kann.

Und ja: Der Silence hat vollwertige und dicht schließende Türen, ein enormer Fortschritt gegenüber dem Twizy. Der normale Dreipunktgurt stört die Autogewohnheiten nicht.

Die Türen haben Fenster mit elektrischen Fensterhebern. Die für diese Fahrzeuggröße großen Außenspiegel sind ebenfalls elektrisch zu bedienen – der pure Luxus.

Es kommt aber noch besser.

Die Tasten im Innenraum haben zwei Funktionen: Die Steuerung von Zusatzfunktionen und die Eingabe des Sperrcodes der Wegfahrsperre. Weil das bei den Probefahrzeugen zu Verwirrung geführt hat, wurden die Ziffernklebis vom Autohaus angebracht. Sie gehören nicht zur Serienausstattung 😉 Alle Hacker wissen nun: Ein Sperrcode für den Silence enthält nicht alle Ziffern…

In diesen Tasten verbirgt sich jedoch ein weiterer Knüller: Das Fahrzeug kann den Innenraum heizen und kühlen. Mehr Komfort kann es in einem Twizy-Nachfolger kaum geben! Die Regelbarkeit beschränkt sich zwar auf drei Lüftungsstufen und eine Temperatursteuerung gibt es nicht, doch es ist unglaublich angenehm.

Bei meiner Probefahrt lag die Temperatur bei etwa drei Grad und die Heizfunktion war mehr als willkommen. Es gibt auch eine App-Steuerung, die ich leider nicht ausprobieren konnte.

Vor dem Beifahrerplatz gibt es eine Smartphone-Halterung, um die Navigationsfunktion des Telefons nutzen zu können. Per Bluetooth-Verbindung kann man die Lautsprecher des Fahrzeugs verwenden.

Das Display hinter dem Lenkrad ist einfach, aber nützlich gehalten. Auch hier ist der Fortschritt zu erkennen: Es gibt eine farbige Anzeige.

Im unteren Bereich wird der Ladestand jeder Batterie getrennt angezeigt, im rechten Bereich der Energieverbrauch bzw. die Rekuperation. Es wird der Gesamtverbrauch im Fahrzeug angezeigt: Mit aktiver Heizung wird das erste Segment der Verbrauchsanzeige belegt.

Die Rekuperation bringt uns zum Thema der Fahrzeugbremse, die etwas gewöhnungsbedürftig ist. Geht man vom Fahrpedal, dann rollt der Silence erstmal frei. Beim sanften Betätigen des Bremspedals kommt die Rekuperation hinzu, die allerdings einen fixen Wert hat und nicht mit dem Bremspedal regulierbar ist.

Wenn man das Pedal weiter durchtritt, kommt die Reibungsbremse dazu. Da sie ohne Bremskraftverstärker arbeitet, ist die notwendige Pedalkraft ziemlich hoch. Insgesamt muss man sich ein wenig dran gewöhnen, echtes Problem ist es jedoch nicht.

Wer sich an den Twizy erinnert: Dort musste man sich für echte Bremswirkung ebenfalls zwischen Pedal und Lenkrad verspannen, besonders wenn die Bremsen schon etwas angerostet waren.

Wie war der Verbrauch? Nach zehn Kilometern und Heizung waren etwa 8 Prozent verbraucht. Das ergibt eine Reichweite von 125 Kilometern, wobei die Werksangabe 157 Kilometer beträgt. Als maximale Reichweite bei moderaten Temperaturen ohne Heizung und ohne Kühlung ist das durchaus plausibel.

Wie fährt sich der Silence? Natürlich ist das Fahrwerk eher hart, aber nicht brutal. Die Sitze sind deutlich weicher als im Twizy, weil man nicht auf der reinen Kunststoffschale sitzen muss.

Der Wendekreis ist aufgrund des Radstands klein, entsprechend handlich ist die Fahrweise in der Stadt. Bei höheren Geschwindigkeiten ist eine ruhige Hand am Lenkrad gefragt, damit man auf stabilem Kurs bleibt. Die Höchstgeschwindigkeit von versprochenen 85 km/h konnte ich nicht austesten, denn auf meiner Route war verkehrsbedingt bei 70 km/h Schluss. Fahrbar ist das allemal.

Das Geräuschniveau ist in Ordnung, den E-Motor und das Getriebe kann man aber gut hören. So ohrenbetäubend und nervig wie im Twizy bei höheren Geschwindigkeiten ist es im Silence definitiv nicht – nomen est omen.

Aufgrund der kompakten Maße von 1,3 m x 1,6 m ist das Parken lächerlich einfach und natürlich funktioniert auch das Querparken auf einem Längsparkplatz, selbst wenn das in der StVO nicht klar geregelt ist. Aufgrund der geringen Fahrzeuglänge des Silence sind knöllchenwürdige Behinderungen jedoch eher unwahrscheinlich.

Mit allen Fähigkeiten ist der Nissan Silence kein Twizy 2.0, sondern definitiv ein Twizy 4.0. Auch für einen elektrischen Smart For Two wäre er ein plausibler Nachfolger, nachdem sich Smart von kleinen Autos verabschiedet hat.

Natürlich: Crashverhalten, Werterhalt, Zuverlässigkeit – das sind derzeit noch Fragezeichen. Nissan ist im Gegensatz zu anderen Anbietern kein Newcomer und hat in Deutschland ein sehr gut ausgebautes Netz von Händlern und Werkstätten.

Als Stadtfahrzeug und für Fahrprofile ohne nennenswerten Autobahnanteil ist der Silence eine denkbare Option. Als geheiztes und gekühltes L6e-Fahrzeug für das Fahren ab 15 könnte es weitere Interessenten finden.

Das Modell L6e mit einer einzelnen Batterie kostet etwa 12.000 Euro und bietet 75 Kilometer Reichweite. Der wesentlich weniger komfortabel gebaute Opel eRocks ohne Heizung oder Klimatisierung kostet zumindest 8.400 Euro. Als Fiat Topolino werden bereits 9.900 Euro verlangt.

Da wirkt der Komfort-Aufpreis des Nissan plötzlich deutlich weniger schmerzhaft.

Außerdem kann man den Silence auch mit einer Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h erwerben, was bei eRocks und Topolino grundsätzlich nicht angeboten wird. Mit zwei Batterien liegt der Preis der L7e-Version des Silence dann bei etwa 16.800 Euro.

Als Vergleich könnte der Microlino herhalten, den es ebenfalls in Ausführungen mit 45 km/h und 90 km/h Höchstgeschwindigkeit zu kaufen gibt. Doch dafür muss man zumindest 18.000 Euro mitbringen und für die schnellere Version mit großer Batterie kommt man bereits auf etwa 22.500 Euro. Die Reichweite ist dann mit 228 km spürbar höher als im Nissan, aber Heizung oder Klimaanlage gibt es im Microlino dennoch nicht.

Aufpreise für die vier Versionen des Nissan Silence existieren nicht und es gibt nur eine einzige Farbe: Weiß. Das soll sich auf Sicht auch nicht ändern, sodass andere Farben nur per Folierung möglich sind. Gegen Aufpreis kann man das Fahrzeug jedoch mit Allwetterreifen ausstatten lassen.

Zur Markteinführung gibt es übrigens Sonderkonditionen in Verbindung mit Finanzierungsangeboten. Besonders großes Interesse am Silence gibt es dem Vernehmen nach aus dem Bereich der Wohnmobilnutzer, denn mit dem Nissan auf dem Anhänger hat man ein sehr praktikables Fahrzeug dabei, das gute Reichweite, Komfort und Laderaum mit stadttauglichen Maßen und geringem Gewicht verbindet.

Die Ablöse des Twizy ist jedenfalls vollzogen – alles Gute!

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 × drei =