Mittlerweise ist es durch die Presse gegangen: Ford und GM setzen in Zukunft auf den NACS-Standard, der für die US-amerikanischen Supercharger der Standard ist. Das ist wohl das Ende von CCS-1 in den USA und erfordert somit perspektivisch den Umbau des Electrify America-Netzes von Volkswagen. Abgesehen davon gibt es jedoch einige Vorteile von NACS, die man nicht ignorieren kann.
Munro & Associates hat dazu ein hervorragendes Video produziert, aus dem ich die meisten Bilder entnommen habe.
Vorteil 1: Kompakter Stecker
Man kann es nicht wegdiskutieren: Der CCS-Stecker ist ein unhandliches und schweres Ungetüm und das gilt für CCS-1 (USA) und CCS-2 (Europa) gleichermaßen.
Klarerweise kann man die technischen Vor- und Nachteile lange diskutieren, doch sehen wir es einfach aus Kundensicht: Der NACS-Stecker ist viel kompakter, handlicher, leichter und damit bedienungsfreundlicher. Außerdem liefert er für Tesla-Fahrzeuge dasselbe Ladeerlebnis wie der CCS-Anschluss (250 kW Maximalleistung in beiden Fällen).
Vorteil 2: Weniger Verschleiß am Stecker
Stecker fallen nun mal runter und ich würde mal behaupten: Der Hauptverschleißfaktor des CCS-Steckers ist der Aufprall am Boden, der mit dem schweren CCS-Stecker + Kabel durchaus knallig ist. Beim NACS-Stecker am Supercharger passiert das nicht.
Das gilt in Europa gleichermaßen für CCS- und Typ 2-Stecker am Supercharger, weil die Ladeports an den PKWs von Tesla immer an derselben Stelle verbaut sind, sind die Kabel so kurz, dass der Stecker nicht auf den Boden fallen kann.
Im Allgemeinen sind die CCS-Kabel jedoch lang genug, sodass der Stecker durchaus auf dem Boden aufkommen kann.
Immerhin hat Tesla am Supercharger V4 die Kabel verlängert, um mehr Fahrzeugtypen bedienen zu können. Gleichzeitig sind die Säulen aber höher geworden, sodass der Stecker vom Boden wegbleibt. Tesla ist sich offenbar des Problems der herunterfallenden Stecker sehr bewusst und hat das Design der Ladepunkte entsprechend ausgeführt.
Vorteil 4: Innenliegende Verriegelung
Hier geht es um ein Problem, das wir in Europa nicht kennen: Die Steckerverriegelung. Bei der europäischen Version CCS-2 erfolgt die Verriegelung wie beim Typ 2 durch das Auto.
Der US-amerikanische CCS-1 hat eine steckerseitige Verriegelung, den Stecker noch klobiger macht und anfälliger für Schäden und Fehlbedienungen macht.
Vorteile 3: Kompakter Ladeport
Zu einem klobigen Stecker gehört eine klobige Dose.
Und weil der CCS-Ladeport viel Platz benötigt, muss am Fahrzeug auch ein passender Einbauort erst gefunden werden. Wegen der steckerseitigen Verriegelung benötigt CCS-1 mehr Platz als CCS-2, ist also ein echtes Ärgernis.
Tesla hat CCS-1 nie verbaut und bietet lediglich einen Adapter an.
Die absurde Gesamtsituation zeigt das Bild aus dem Tesla-Shop.
© Tesla Motors
Der NACS-Anschluss ist anders konstruiert.
Der NACS-Stecker wird fahrzeugseitig verriegelt (siehe Sperrhaken auf dem Bild), so wie wir es von Typ 2 und CCS-2 gewohnt sind, aber es bei CCS-1, Typ 1 in Europa bzw. CHAdeMO aus Japan nicht gemacht wurde.
Vorteil 4: Kleinere Ladeklappe
Auf große Steckdosen muss – ganz schlecht – eine ziemlich große Ladeklappe verbaut werden.
Für die zukünftige NACS-Dose reicht eine Klappe aus, die etwas mehr als eine Handbreit groß ist.
Die Klappe vor dem CCS-1-Anschluss ist im Vergleich eine eigene Tür mit einem entsprechend massiven Scharnier. Weil die Klappe derartig groß ausfällt, muss sie komplett lackiert werden, um nicht unangenehm aufzufallen. Das kostet alles viel Geld und macht Reparaturen nicht unbedingt kostengünstig.
Vorteil 5: Billiger Kabelbaum im Fahrzeug
In den USA ist Drehstrom unüblich, deshalb wird auch bei AC nur zweiphasig geladen.
Zwei Phasen für AC und zwei Pole für DC: Da sollten im Grundsatz zwei Leitungen ausreichen. Genau das hat sich Tesla gedacht und einen sehr einfachen Kabelbaum mit zwei massiven Aluminium-Leitungen konstruiert.
Dazu gibt es noch eine dünne Steuerleitung.
Dagegen ist der CCS-1-Kabelbaum aufwändig und dementsprechend teuer.
Vorteil 6: Das Ladenetz
In den USA gibt es bereits heute mit dem Supercharger-Netz 17.711 Ladepunkte nach dem NACS-Standard (Angaben von Reuters im Februar 2023).
Laut Charin gibt es etwa 6.600 CCS-basierte Ladepunkte in den USA, doch die Verfügbarkeit und Benutzerfreundlichkeit wird häufig als schlecht beschrieben.
Wenig und schlecht: Das ist kein Geschäftsmodell. Die CCS-1-basierten Ladenetze sollten nun rasch Pläne für die Umstellung auf NACS erstellen, an der Zuverlässigkeit arbeiten und Plug&Charge implementieren – sonst wird das ein Weg in die Irrelevanz.
6:0 für NACS
Was soll man sagen…
Für die Verhältnisse in den USA bleiben für CCS-1 im Vergleich zu NACS eigentlich keine Argumente übrig, vor allem weil in den USA einphasiges Laden bis zu 19 kW stattfindet.
Das darf in Europa wegen Schieflast nicht erfolgen, daher findet das Laden mit Drehstrom statt; dafür ist bei CCS-2 der Typ 2-Anteil vorgesehen. Die getrennten DC-Kontakte können mehr Leistung tragen, obwohl Tesla mit dem DC-Modus des Typ 2 gezeigt hat, dass es auch anders gehen kann.
Doch das ist Geschichte, für Europa sind Typ 2 und CCS-2 einzementiert.
In den USA gehen Elektromobilisten der NACS-Zukunft entgegen!
Bilder © Munro & Associates, wenn nicht anders angegeben.