Langstrecke
Für viele sind offenbar Erfahrungen auf Langstreckenfahrten interessant, das kann man an den Zugriffszahlen meiner Beiträge erkennen. Stellen wir uns daher heute die Frage: Kann man elektrisch in den Skiurlaub fahren und funktioniert das auch mit Familie?
Unser Ziel war Ellmau in Tirol und damit das Skigebiet am Wilden Kaiser. Natürlich ist alpiner Skilauf nicht die nachhaltigste Sportart, das Für und Wider soll aber hier nicht das Thema sein.
Die Hinreise
Die geplante Strecke von 720 Kilometern führte von Wolfsburg zum Supercharger Nempitz, weiter zum Supercharger Hilpolststein und dann direkt ans Ziel.
Wir starteten bei vier Grad mit 95 Prozent im Akku, fünf Prozent hatte die Vortemperierung schon mal weggesaugt. In Vorfreude auf den ersten Ladestopp begann das Auto auch sofort mit der Vorwärmung der Batterie – immerhin bereits 90 Minuten vor der Ankunft am Supercharger.
Nempitz ist immer sehr gut besucht und auch unser gewählter Reisetag, ein Freitag, machte da keine Ausnahme. Mehr als die Hälfte der Tesla-Ladepunkte waren belegt, die Ladegeschwindigkeit aufgrund der Leistungsaufteilung eher mäßige 70 kW. Als zwei zusammengehörige Ladepunkte frei wurden, konnte ich nach einem Umparkmanöver immerhin auf 120 kW erhöhen.
Die Ionity-Ladepunkte waren alle in Verwendung, ein Ionity-Mitarbeiter werkte am Schaltschrank, was nichts Gutes verhieß. In Nempitz fallen häufig mal die Säule 1 oder 5 aus. Doch bei unserem Besuch lief alles rund. Sehr positiv: Der Kastenwagen des Ionity-Mitarbeiters war vollelektrisch! So muss das auch sein.
Erste Etappe: 194 km in 1:58 Stunden, 44 kW verbraucht bzw. 22,6 kW auf 100 Kilometer. Temperatur bei 6 Grad.
Durch das Vorheizen der Batterie war der Verbrauch relativ hoch, mein ganzjähriger Durchschnitt liegt bei 18 kW pro 100 Kilometer. Zwischendurch gab es zudem Regen und deutlich spürbaren Gegenwind und einige kurze Stauerlebnisse.
Tesla rechnet bei den Reichweiten ultrakonservativ und mittlerweile fahre ich los, sobald das Navi während des Ladevorgangs einen Ladestand von 0 Prozent am Ziel anzeigt. Gleich nach dem Losfahren springt die Vorhersage erfahrungsgemäß auf 5 bis 10 Prozent, und auch dieser Wert ist noch relativ konservativ. Zur Beruhigung der Familie ließ ich das Laden diesmal bis 3 Prozent weiterlaufen… Die Pause verging ziemlich rasch.
Trotzdem war das Auto beunruhigt und plante rasch einen weiteren Ladestopp ein. Leider kann man Ladestopps im Tesla-Navi nicht individuell löschen, sondern nur alle gemeinsam. Also war es notwendig, die Route erstmal direkt zum gewünschten Supercharger zu setzen.
Auf den letzten 20 Kilometern erhöhte ich die Geschwindigkeit auf 170 km/h, um das Vorheizen zu unterstützen.
Zweite Etappe: 272 km in 2:45 Stunden, 56 kWh verbraucht bzw. 20,4 kW auf 100 Kilometer. Temperatur bei 4 Grad.
Auf dieser Strecke musste das Auto weniger Energie in das Vorwärmen der Batterie investieren und teilweise gab es längere Baustellen und Staus, die das Tempo stellenweise reduzierten. Wir nutzten die Ladezeit als Essenspause und fiel somit überhaupt nicht auf. Alle waren zufrieden, nur die Zwiebelringe fanden keine Gnade.
Ab hier ging es bei sinkenden Temperaturen in Richtung Ziel.
Dritte Etappe: 242 km in 2:50 Stunden, 46 kWh verbraucht bzw. 19,1 kW auf 100 Kilometer. Temperatur 1 Grad.
In diesem Teilstück war etwa ein Viertel Strecke auf der Bundesstraße und das Auto musste die Batterie nicht mehr vorheizen. Die 19 kW Verbrauch entsprechen also einem realistischen Winterverbrauch für ein aufgewärmtes Fahrzeug.
Die Gesamtzeit der Fahrt war aufgrund der Verkehrsverhältnisse doch relativ lang: 9 Stunden und 30 Minuten.
Am Ziel
Die Talstation der Hartkaiserbahn wurde in den letzten Jahren um zwei große Parkdecks erweitert, aber auch um fünf Ladeplätze, die getrennt markiert sind auf denen man ohne Zeitbegrenzung kostenlos stehen kann. Tagsüber waren sie gut genutzt.
Allerdings gab es auch einen Nachteil: Die Ladesäulen können nur mit Tarifen genutzt werden, die eine Zeitkomponente beinhalten. Der Spontanladetarif ist dabei keine Ausnahme, worauf immerhin auf zusätzlich angebrachten Beschilderungen hingewiesen wird.
Nun ist das Laden eines E-Autos im Schiurlaub sicherlich nicht die größte Kostenposition, praxisgerecht ist das aber nicht. Wir haben mit ENBW+ geladen, weil damit die Zeitkosten auf 12 Euro begrenzt war und die Stromkosten bei den günstigsten Angeboten lagen.
In jedem Fall war es sehr erfreulich und sehr praktisch, dass es diese Lademöglichkeit gab! 54 kWh flossen dort in drei Ladesessions in die Batterie.
Die Rückfahrt
Start mit 94 Prozent in der Batterie – von Ellmau aus geht es eine ganze Zeit bergab und ich wollte noch etwas Puffer für die Rekuperation haben. Das Tief Odette hatte für starken Schneefall gesorgt, Temperatur um den Gefrierpunkt.
Das Navi gab uns wieder Hilpoltstein als ersten Ladestopp. Es ist ein größerer Supercharger mit sechzehn Ladepunkten. Außerdem gibt es sechs Ladepunkten von Allego (zweimal 150 kW, viermal 350 kW). Doch beim Supercharger ist Vorsicht geboten: Die erste Gruppe von Ladepunkten sind V2 mit geteilter Ladeleistung. Erst die zweite Gruppe besteht aus Ladepunkten V3. Bei der Hinfahrt hatte ich mich an V2 gehängt, nun wurde es der V3: 240 kW Ladeleistung war das erfreuliche Ergebnis.
Vierte Etappe: 241 km in 2:30 Stunden, 55 kWh verbraucht bzw. 22,9 kWh auf 100 Kilometer. Temperatur bei einem Grad.
Zu unserer Überraschung war der nächste geplante Ladestopp nicht Nempitz, wie bei der Hinfahrt, sondern zuerst der Supercharger Hermsdorf und dann ein kurzer weiterer Stopp in Irxleben. Das hatten wir bereits einmal erlebt – das Navi versuchte Nempitz zu vermeiden, weil es eine sehr hohe Auslastung erwartete. Wolfsburg liegt nur etwa 250 Kilometer von Hermsdorf entfernt, eine zweite Zwischenladung war somit eine sehr konservative Vorsichtsmaßnahme, die wir wohl ignorieren konnten.
In Hermsdorf steht neben dem Supercharger auch noch eine neuer Lademöglichkeit von Fastned, komplett mit Solardach – so sieht das sehr gut aus!
Fünfte Etappe: 222 km in 1:45 Stunden, 53 kWh verbraucht bzw. 23,8 kW auf 100 km. Temperatur 2 Grad.
Auch hier passte der Ladestopp ideal zum gastronomischen Nachfüllen von Passagieren und Fahrer. Danach ging ab in Richtung Wolfsburg. Der Sicherheitsstopp in Irxleben war gleich von Beginn verschwunden, das Auto vertraute also auf einen zurückhaltenden Energieverbrauch.
Sechste Etappe: 248 km in 2:12 Stunden, 50 kWh verbraucht bzw. 20,3 kW auf 100 km. Temperatur 5 Grad.
Auch auf dieser Etappe zeigte sich, dass das Vorheizen der Batterie den Verbrauch deutlich erhöht. Etwa 10 Prozent Mehrverbrauch fallen dadurch an, verkürzt die Ladedauer aber erheblich. Die dafür erforderlichen 5 Kilowattstunden Energie sind ziemlich rasch wieder in die Batterie geladen, die Investition lohnt sich also. Natürlich verkürzt das Vorheizen die Reichweite – für maximale Reichweite sollte man also ohne Vorheizen fahren. Dafür muss man im Tesla-Navi die Ladepunkte entfernen, andere Navigationsziele wählen oder ganz ohne Navigation fahren.
Wir kamen mit 18 Prozent Ladestand an und die Fahrzeit betrug 8 Stunden und 18 Minuten – aufgrund der ruhigen Verkehrsbedingungen deutlich kürzer als bei der Hinfahrt.
Google Maps hatte für die Fahrt 7 Stunden und 9 Minuten angesetzt. Eine knappe Stunde für alle Pausen für Menschen und Technik finde ich wirklich akzeptabel!
Fazit
Wir hatten beinahe auf der gesamten Rückfahrt Niederschlag mit wechselnder Intensität, was leider auch die Schwäche der automatischen Scheibenwischersteuerung von Tesla offenbarte. Die Automatik läuft bei zunehmendem Regen zu langsam hoch und wischt die trockene Scheibe durchaus hektisch weiter, bis es quietscht. Entsprechend häufig musste ich manuell nachregeln, was in der Bedienungsoberfläche v11 wegen der verkleinerten Bedienungselemente eher fummelig als komfortabel ist. Da gibt es einigermaßen viel Luft nach oben für Verbesserungen, die in zukünftigen Softwareversionen untergebracht werden können.
Hier die Zusammenstellung der wichtigsten Daten:
Etappe | Km | Zeit | Durchschnitt km/h | Verbrauch kWh |
1 | 194 | 1:58 | 98,5 | 44 |
2 | 272 | 2:45 | 98,9 | 56 |
3 | 242 | 2:50 | 85,5 | 46 |
4 | 241 | 2:30 | 96,4 | 55 |
5 | 222 | 1:45 | 95,4 | 53 |
6 | 248 | 2:12 | 112,7 | 50 |
Summe | 1.419 | 14:00 | 101,4 | 304 |
Da das Auto mit vier Personen besetzt war, belief sich der Verbrauch pro Person und 100 Kilometer auf 5,4 kWh. Im Fernverkehr der Bahn beträgt der Stromverbrauch etwa 10 kWh pro Person und 100 Kilometer, ein gut besetztes Elektroauto ist somit die energieeffizienteste Reiseoption. Deswegen ist Bahnfahren nicht schlecht, im Gegenteil: Man kann lesen, schlafen, einen Film sehen oder einfach nur aus dem Fenster schauen – so weit hat es das selbstfahrende Auto leider noch nicht gebracht…
Der Preis pro Kilowattstunde betrug generell 45 Cent, insgesamt rund 137 Euro. Auch das ist ein sehr günstiger Wert, ignoriert aber die Kosten für das Fahrzeug selbst. Dafür müsste man etwa 320 Euro zusätzlich ansetzen, die Gesamtkosten beliefen sich somit auf etwa 457 Euro oder 32,2 Cent pro Kilometer.
Man kommt also elektrisch in den Skiurlaub und sogar zurück. Das Allerwichtigste jedoch: Es gab keinerlei Beschwerden von der Familie!
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