Wer die Medien mit ein wenig Aufmerksamkeit konsumiert, wird zumindest alle zwei Wochen feststellen: Schon wieder eine neue Wunderbatterie!
Und so war es auch diese Woche wieder so weit: Das deutsche Start-up Theion will schon bald eine Solid State-Batterie anbieten, die Lithium-Ionen-Akkus deutlich übertrifft: Die dreifache Reichweite wird für E-Autos versprochen!
Auf der Website werden alle erforderlichen Versprechen gebracht: Verdreifachte Energiedichte, hohe Zyklenfestigkeit, tolle Schnellladeleistung, nicht brennbar, billiges Rohmaterial, geringer Energieaufwand für die Produktion und natürlich: billig! Schwefel anstelle von Konfliktmaterialien – wäre das nicht fantastisch?
Erste Muster sind für 2023 angekündigt.
Wie real sind diese Versprechungen? Beginnen wir mit der Physik: Die Lithium-Schwefel-Batterie gibt es tatsächlich zumindest seit 1958, allerdings eher als Forschungsobjekt.
Die Zellenspannung liegt bei 2,2 Volt, deutlich unter den 3,6 Volt der derzeit gängigen Lithium-Ionen-Batterien und die Spannungskurve ist kompliziert. Ein BMS für eine Lithium-Schwefel-Batterie muss ein durchaus aufwändiges Stück Technik sein.
Wer den Wikipedia-Artikel bis zum Ende liest, kommt auf zwei Erkenntnisse: Es tut sich etwas bei diesem Zellentyp. Allerdings sind Ankündigungen aus 2018 noch nicht in der Realität angekommen.
Eine deutliche Verbesserung der Eigenschaften der Schwefelzelle wurde durch den Einsatz von Cobaltoxalat berichtet. Und da war er wieder, der Problemstoff Kobalt!
Wer bisher bereits eine gewisse Skepsis beim Lesen verspürt hat, irrt definitiv nicht. Wenn eine neue Wunderbatterie bereits mehrmals ergebnislos angekündigt wurde und dann noch mit Kobalt verbessert werden muss: Da ist gewiss Vorsicht geboten.
Vor Schwierigkeiten mit Wunderbatterien sind selbst große Namen nicht gefeit: Beispielsweise steht das von Volkswagen unterstützte Feststoffbatterieunternehmen QuantumScape derzeit aufgrund eines sehr kritischen Berichts über mögliche Insidergeschäfte und Betrugsvorwürfe unter Druck. Insider berichten, dass das Volkswagen-Management positive Berichte verlangte, während die Batterieexperten im Unternehmen extrem skeptisch gegenüber den Behauptungen von QantumScape waren. Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung! Das Management von QuantumScape wirft deshalb gerade positive Berichte auf den Markt, um positive Stimmung zu verbreiten. Die viel früher als geplant vorgestellte Zelle mit 16 Schichten hat allerdings eine deutlich schlechtere Performance und die Zellengröße wird lediglich als „kommerziell relevant“ bezeichnet, wohl weil die Firma auch für die lächerlich kleinen Zellen in ihren Testaufbauten kritisiert wurde.
Doch es scheint ein Muster zu geben: Startups mit der Behauptung von tollen Technologien werden von einem großen Hersteller unterstützt und können mit dieser Glaubwürdigkeit eine große Blase erzeugen: Nikola und General Motors. Theranos und Walgreens. Seeo und Samsung. Infinite Power Solutions und Apple. Envia und General Motors. Sakti3 und Dyson, nachdem General Motors bereits Jahre davor ergebnislos investiert hatte.
Vielleicht ist das alles ungerecht gegenüber dem oben erwähnten Startup Theion – ich wünsche ihnen viel Glück. Ruft mich an, wenn das Produkt auf dem Markt ist!