Mitten in Berlin mit Elektroauto liegengeblieben!
Viele E-Auto-Fans kennen den Youtube-Kanal Car Maniac. Im dazugehörigen Shop kann man unter anderem auch Textilien mit dem Aufdruck „Keine Macht der Schildkröte“ bekommen. Was es mit dieser ominösen Schildkröte auf sich hat, das erfahrt ihr hier im Artikel.
Das Erwachen der Schildkröte
Das erste Mal begegnete mir die Schildkröte im Januar 2018. Mit meinem alten e-up! hatte ich meine Kinder nach dem Fußball-Hallenturnier am anderen Ende vom großen Landkreis Gifhorn versprochen, sie anschließend spontan zu Freunden zu bringen. Erst als ich meine Kids abgesetzt hatte und wieder heimwärts fuhr, bemerkte ich, dass die Restreichweite bei 9 km lag. Klar, vorher hatte sich der Elektrokleinwagen diesbezüglich schon einmal bemerkbar gemacht, aber nun sah ich das Schildkrötensymbol im Cockpit. Mutig fuhr ich damals dennoch weiter, selbst als die Restreichweite 2 Kilometer vor meinem Zuhause auf 0 gesprungen war. Der VW lief und lief bis in meine Garage. Auf dem Bild hier ist dann auch das Cockpit bei der damaligen Ankunft zu sehen. Eigentlich hätten da -2 km stehen müssen!
Die Schildkröte schlägt zurück
Nun etwas mehr als 4 Jahre später hat sich eine mir gut bekannte Person mit der Schildkröte angelegt. Am vergangenen Sonntag fuhr sie mit 60 km Restreichweite in ihrem Volkswagen ID.3 von Mitte Berlin an die Havel. Hin- und zurück sind das ca. 40 Kilometer. Theoretisch also überhaupt kein Problem. Das Auto stand vor der Abfahrt in einer Tiefgarage – ohne Lademöglichkeit. Die Außentemperatur war für April mit ca. 4 Grad eher niedrig. Am beliebten Ausflugsziel der Havel gibt es derzeit keine Lademöglichkeiten auf den Parkplätzen. Somit war am späten Nachmittag auf dem Heimweg ein Ladestopp dringend erforderlich. Zumal obendrein noch Umwege wegen eines Halbmarathons gefahren werden mussten. Als Ziel hatte sie einen Aral pulse Ladepunkt an der Holzmarktstraße gewählt. Mit Schildkrötensymbol im Cockpit und 5 Kilometern Restreichweite kam sie an. Leider hat Aral dort mitten in Berlin lediglich eine Säule mit zwei CCS-Ladepunkten aufgestellt. In der Regel stellt Aral meist mehrere Ladesäulen auf.
Die Schildkröte hat gewonnen…
Bei Ankunft war bereits ein Ladepunkt ausgefallen bzw. zeigte einen Fehler an. Mit Angstschweiß an den Finger erfolgte dann der Griff zum zweiten Ladepunkt, aber auch der ließ sich nicht zur Mitarbeit bewegen. Dann wurde die auf der Säule gut sichtbare Hotline-Nummer angerufen. Dort veranlasste man aus der Ferne einen kompletten Neustart des Betriebssystems der Ladesäule. Doch auch der Reboot brachte keinen Erfolg und somit hatte die Schildkröte diesmal gewonnen.
In der näheren Umgebung gibt es überwiegend nur langsame AC-Ladpunkte an der Straße, welche häufig belegt oder von Verbrennern zugeparkt sind. Ein Schnelllader in 2 Kilometern Luftlinie befindet sich auf einem Parkplatz, der am Sonntag abgeschlossen ist. Laut dem Goingelectric-Portal soll man dann den Pförtner anrufen. Dort sagte man ihr, dass dort keine Schnelllader zur Verfügung stehen.
ID.3 aufgeladen…
Die Volkswagen Hotline schickte einen Abschleppwagen. Im Zeitraum der zweijährigen Neuwagengarantie sollte man kostenfrei zur nächsten Ladestation, dem nächstgelegenen Vertragspartner oder nach Hause gebracht werden. Der Fahrer ließ keine Wahl und brachte das Auto zum nächsten VW Partner. Vorher musst sie noch einige Formulare unterschreiben und durfte keine Kopie behalten.
Am folgenden Tag rief der Service bei ihr an und fragte, was denn mit dem Fahrzeug sei. Sie teilte dann mit, dass lediglich der Akku leer wäre. Offenbar hat der Schleppwagenfahrer diese Information nicht weiter gegeben oder sie ist verloren gegangen. Gegen 19:00 Uhr rief meine bekannte Person bei dem Autohaus an und erkundigte sich nach ihrem Fahrzeug. Man teilte ihr mit, dass der ID.3 zu 90 Prozent aufgeladen sei. Sie ist dann mit dem Taxi zum Vertragspartner gefahren und hat den Elektroflitzer wieder abgeholt.
Fazit: Hätte, hätte Fahrradkette
Passend dazu natürlich die erste Frage, benötigt man in Berlin überhaupt ein Auto? Die rund 20 Kilometer in Berlin bis zur Havel dauern meist 50 Minuten im verstopften Straßenverkehr. Mit Bus und U-Bahn wären es dennoch 1h und 17 Minuten. Mit einem normalen Rad soll die Strecke laut Google Maps eine Stunde Fahrzeit betragen. Theoretisch sollte man mit einem Elektrorad unterhalb der Fahrzeit eines PKW kommen. Nur diese Person liebt und lebt von Autos. Man hätte ihr vorwerfen können, doch vorher zu laden oder spätestens auf der Rückfahrt in der Navigation vom ID.3 nächstgelegen Schnelllademöglichkeit auszuwählen. Schließlich hätte sie in den vergangenen 12 Monaten überhaupt mal andere Ladepunkte in Berlin ausprobieren/kennenlernen können. Ihre Frage war dann noch, warum gibt es keine Pannenhilfe mit mobiler Ladesäule? Vielleicht, weil die E-Autos doch zu wenig liegen bleiben! Ein Reservekanister findet man in aktuellen Verbrennern auch nicht mehr. Wir müssen nicht jede Strecke mit dem Auto fahren. Und wenn man ein modernes Automobil fährt, also einen Computer auf Rädern, dann sollte man auch die vorhandene und für viel Geld bezahlte Technik nutzen.