Destination Backwaren

Es sollte kein Samstag wie jeder andere werden, ganz im Gegenteil: 720 elektrische Kilometer mit dem Ziel, eine Bäckerei zu besuchen.

Natürlich nicht irgendeine Bäckerei, sondern den Backstubenladen Schüren in Hilden, der weithin für sein Engagement für einen nachhaltigen Betrieb und alle Aspekte der Elektromobilität bekannt ist. Das ist schon ein paar Kilometer Anreise wert…

Außerdem wollten wir sehen, ob der E-Stammtisch „Hebdo“ nach wie vor aktiv ist.

Mit in der Crew und bereits um 6:55 bestens vorbereitet an einem Samstag erschienen: Oliver von Musicus. Für die Fahrt konnten wir das Tesla Model 3 benutzen, das mit 100 % Ladestand am Stecker der E-Mobility-Station auf uns wartete.

Die Hinfahrt war relativ ereignisfrei: Gegenwind, etwas Stau, nicht rechtzeitig abgebogen (plus 4 km) ergeben 359,6 Kilometer ohne Zwischenhalt, 65 kWh Verbrauch = 180 Wh/km bei der Ankunft um 10:35 am Destination Charger des Ladeparks der Bäckerei Schüren.

21 Ladepunkte! Es sind so viele, ich konnte mich kaum entscheiden…

Tatsächlich tagt der E-Stammtisch an diesem Samstag und ist mit zehn Teilnehmern auch recht gut besucht. Der Fuhrpark ist etwas Model 3-lastig, aber es gibt vom Twizy über Zoe und Ioniq bis zum e-Soul durchaus Vielfalt. Auffällig dabei: Kein einziger e-Golf, kein e-Up!
Der Himmel ist ziemlich bedeckt, der Ertrag der Solaranlage pendelt um die 40 Kilowatt. Für die 11 kW, die das Model 3 nun zieht, reicht das gleich mehrfach.

Wir wurden von Lademeister Tom supernett in alle Aspekte der Anlage eingewiesen, mit der Geschichte von Otto Schönbach (fuhr mit einem Twizy bis zum Nordkap… und zurück – Inteview) bekannt gemacht und wurden mit einem weiteren Glanzstück erfreut: Dem elektrischen Umbau eines VW-Bullis. Da ist er, zehn Jahre nach der Verkündung von Volkswagen, aber diesmal real! 200 Kilometer Reichweite! Wirksame Heizung fürs Fahrerhaus! Klimaanlage in old-school-Ausführung (offene Fenster)! Wassergekühlter Motor! Und sogar CCS-Ladeanschluss! In mehrfacher Hinsicht also deutlich besser als das Original. Und auch einen Tesla Supercharger in Miniausführung für Mobiltelefone gibt es.

Vergessen wir aber nicht die kulinarischen Aspekte, immerhin geht es um einen Bäcker! Erstmal fällt die Entscheidung zwischen 22 kW- und 50 kW-Frühstück schwer. Außerdem: Bio-Produkte stehen gelegentlich im Verdacht, weil sie gesund sind geschmacklich weniger erfreulich zu sein. Nichts könnte ferner der Wahrheit sein! Wir haben uns vom einfachen Brötchen über Laugenstangen und Roggenbrot bis zum Erdbeerkuchen durchgegessen und alles war hervorragend gut, der Verkehr ebenso. Dementsprechend riss die Schlange der Kundschaft nicht ab und dank der vielen Ladepunkte gab es eine friedliche Koexistenz zwischen Verbrennerfahrern und Stromautonutzern. Derzeit zumindest, denn laut Oberbäcker Roland Schüren ist das nicht immer so, wenn zu Spitzenzeiten die Parkplätze genau vor dem Laden von E-Autos vereinnahmt werden. Man sieht aber gleich, worin die Abhilfe besteht: Noch mehr Ladepunkte!

Und genau die sind beim Autobahnkreuz Hilden im Entstehen, an dem derzeit der Seed & Greet-Bäckerwagen neben einem provisorischen Tesla Supercharger steht. Neben Roland Schüren sind die Youtuber Nino Zeidler (Danzei.de) in physikalisch (den habe ich mir kleiner vorgestellt…) mit seiner Frau Danica, seinem Model S und seiner Kamera-Drohne dabei, außerdem Ove Kröger virtuell als Aufkleber (den habe ich mir größer vorgestellt 😉).
In Hilden werden Tesla Supercharger in der neuesten Ausführung V3 für 250 kW Ladeleistung mit 40 Ladepunkten, und eine Fastned-Installation mit 22 Ladepunkten sowie eine Reihe von AC-Ladepunkten inklusive Schuko-Dosen für Twizys, Scuddys, E-Bikes und sonstige Schwachlader aufgebaut. In der derzeitigen ersten Bauphase wird jeweils die Hälfte der Ladepunkte realisiert. 20 Ladepunkte mit 250 kW sind schlanke fünf Megawatt in der Spitze, die jedoch kaum vorkommen werden, denn zwanzig völlig ausgehungerte, aber sehr gut batterietemperierte Teslas werden wohl niemals genau gleichzeitig eintreffen. Wen die Zahl trotzdem beeindruckt: Das ist weniger als zwei Lokomotiven bei der Deutschen Bahn, die immerhin 1.200 Stück im Bestand hat. Das Stromnetz ist also sicher nicht das Problem.

Entscheidender Fortschritt: Die Lader werden komplett mit zwei Solar-Carportdächern überspannt, von denen die Nutzerin und der Nutzer des E-Autos trocken gehalten werden und die bis zu 700 kWh Strom erzeugen können. Die genaue Größe der Solarfläche im Endausbau konnten wir nicht in Erfahrung bringen, es kann also noch mehr werden.

Sind 40 Ladepunkte zu viel? Bei unserer Ankunft war beim vorhandenen Supercharger mit zwölf Ladepunkten genau noch ein einziger Anschluss frei (für uns zum Glück) und geräumte Ladeplätze wurden sofort wieder belegt. Erst ein Regenschauer vertrieb eine größere Menge an Fahrzeugen – sind E-Autos eigentlich wasserlöslich?

Zu unserer Freude wurden wir noch als die Teilnehmer mit der weitesten Anreise mit dem Lecker-Täschchen von Roland Schüren verwöhnt – vielen herzlichen Dank dafür! Ich habe mich brav mit dem E-Dilemma revanchiert.

Kurz nach 13:30 begaben wir uns mit 90 % Ladestand auf die Rückfahrt. Der Tesla-Routenplaner wollte uns unbedingt bereits in Kamen mit einem Ladestand von 76 % an die Säule schicken, obwohl Lauenau von Hannover wesentlich plausibler gewesen wäre. Aber wer weiß, vielleicht hatte das Telsa-Superbrain bereits zu viele Autos für Lauenau vorgesehen und wollte uns nicht noch zusätzlich dort versorgen müssen. Und auch Kamen war sehr gut besucht, was offenbar häufiger der Fall ist: Wir dockten bei einem behelfsmäßigen Palettencharger an, der vermutlich als rasche Kapazitätserweiterung aufgestellt worden war. Also zehn Minuten Ladepause, gerade mal ein Toilettenbesuch.

Das wäre eigentlich nicht notwendig gewesen, denn dank Rückenwind erreichten wir Wolfsburg mit beruhigenden 21 % Ladestand. Tesla weiß eben noch nicht alles!

Hinweis: Mit Bildern gibt es den Artikel hier.

— Martin (martinguss.de)