Neulich trieb ich mich auf einer Website herum, die von einer österreichischen Tageszeitung etwas respektlos als „Internet-Grabbelkiste“ bezeichnet wurde.
Es handelte sich um Wish.
Mit vergleichsweise penetranter Werbung präsentiert sich der Anbieter eines nicht enden wollenden Portfolios an Warenangeboten, das gefühlt zwischen eindeutigen Fake-Produkten (z.B. einseitig bedruckte Euro-Banknoten), Waren des zweifelhaften Nutzens (z.B. Spannvorrichtungen für den aufrechten Gang) und Produktionsausschuss mit teilweise überraschend hohen Preisen (Plastikkiste für Batterien um Euro 2,80 Euro mit maximal 10 Cent Materialwert) changiert.
Dazu kommen Versandkosten, die aus einem günstigen Gadget ein deutlich weniger günstiges Gadget machen können und natürlich niemals refundiert werden, falls jemals irgendetwas refundiert wird. Die Verbraucherzentrale warnt jedenfalls und bietet ein Beschwerdeformular an. Verständlich, denn mein erster Testkauf einer Micro-SD-Karte mit sagenhaften 512 GB Kapazität um ebenfalls sagenhaft günstigen 5 Euro stellte sich erwartungsgemäß als Niete heraus: Nach 256 Megabyte (nicht Gigabyte!) gab es nur noch Schreibfehler und nach kurzer Zeit versagte das Teil komplett. Das alles trotz des vertrauenerweckenden Markenlogos von Huawei.
Tatsächlich scheint es dann zumindest wie unfreiwillige Komik, wenn gerade in jenem Artikel der Computerbild, der vor Wish warnt, zwei Downloadlinks für die Wish-App für IOS und Android prominent in der Mitte des Textes platziert sind – gratis! Diese Links könnte man gleichzeitig mit den Rechtschreibfehlern im Artikel entfernen.
Ich war also skeptisch und negativ vorgespannt, bis ich auf eine Reihe von Produkten stieß, die alle Probleme der Elektromobilität zum Verschwinden bringen würden und uns mit Nostalgie auf die guten alten Zeiten von Reichweitenangst, Ladeangst und Fahrfrost zurückdenken lassen werden.
Das erste diesbezügliche Produkt war eine Powerbank mit 300.000 mAh Kapazität. Das ist erstmal eine abstrakte Zahl, die wir erst übersetzen müssen. Wir wollen uns nicht mit höherer Mathematik langweilen, aber ganz zu vermeiden ist sie leider nicht: 300.000 mAh entsprechen 300 Ah und – bei der Powerbank-üblichen Spannung von 3,7 Volt – einer Kapazität von 1.110 Wattstunden (Wh) oder 1,11 Kilowattstunden.
Zu Vergleichszwecken werde ich den Audi e-tron mit 95 kWh Kapazität heranziehen. Mit knapp 86 Stück dieser Powerbanks könnte man die Antriebsbatterie des Audi ersetzen. Kostenpunkt wäre 1.200 Euro, allerdings ohne Versandkosten. Da müsste man wohl noch gut die Hälfte addieren. Aber immerhin: Eine Austauschbatterie für diesen Audi für unter 2.000 Euro und maximal 40 Kilogramm Gewicht, das muss uns Herr Diess einmal nachmachen!
Doch es wäre nicht die chinesische Ingenieurskunst, würde sie an diesem Punkt bereits Halt machen. Wenige Minuten des Wischens auf meinem Telefon später stieß ich auf eine ähnlich kompakte Powerbank, die aber eine Kapazität von 2.000.000 mAh versprach – zwei Millionen! Gut, der Preis war erheblich höher, 16 Euro nämlich. Dafür würden nur 13 Stück ausreichen, um den e-tron genauso lange wie die Originalbatterie anzutreiben. Kostenpunkt? 208 Euro, wieder ohne Versand.
Den Knaller dabei muss ich aber noch erwähnen: Dieses Produkt brachte auch noch eine Solarfläche mit, um die Powerbank aufladen zu können. Dieses Produkt könnte die Rettung des Sion von Sono Motors sein! Gibt’s die überhaupt noch? Ja, tatsächlich, und die gratulieren sich auf ihrer Website immer noch zur gelungenen Rettung kurz nach Weihnachten 2019 und haben das Produktportfolio der nichtverkauften Fahrzeuge von PKWs auf kleine und größere Busse ausgeweitet! Bis zum derzeit geplanten Produktionsbeginn der Homologationsfahrzeuge im September 2021 ist noch beruhigend viel Zeit für andere Ideen, bevor man „Teil der Lösung“ werden kann.
Wenn Sono es also schaffen würde, die notwendigen 13 Powerbanks außen auf dem Auto anzubringen, wären alle Probleme des Unternehmens gelöst: Der Sion würde statt der sehr mäßigen 35 kWh (Prospektangabe) beinahe die dreifache Kapazität mitbringen und gleichzeitig würde die Batterie statt 9.500 Euro nur noch unter 300 Euro (inklusive Versand) kosten. Damit könnte die schmerzliche Scharte der exorbitanten Preiserhöhung für die Antriebsbatterie von 2018 rückstandsfrei ausgewetzt werden.
Mein Freund Oliver wäre hocherfreut, weil er dann seine Anzahlung nicht abschreiben müsste und tatsächlich ein fahrbares Auto bekäme.
Zweifel kamen mir dann jedoch einige Produktseiten später: Eine Powerbank mit sagenhaften zehn Millionen Milliamperestunden Kapazität sprang mir förmlich entgegen. Die Glaubwürdigkeit dieses Angebots wurde dadurch etwas belastet, dass es sich bereits um das Model 2021 handelte. Andererseits: Lediglich drei Stück könnten die Batteriekapazität des Audi e-tron aufs Doppelte vergrößern, ein Reichweitenverdoppler im Handschuhfach sozusagen! Und da wird dann mit irgendwelchen Batterieanhängern herumexperimentiert, einfach nur lachhaft.
Als Preis waren moderate 13 Euro pro Stück angegeben. Der geringe Preis ist kein Wunder, das Teil hatte weder eine Solaroption noch die Fähigkeit zur drahtlosen Ladung. Damit müsste man nämlich die Powerbank im Handschuhfach nicht einmal mehr anschließen, das bloße Hineinlegen würde vollkommen ausreichen. Gekühlt wäre das Handschuhfach im Audi ohnehin, ein Rapidgate also nicht zu erwarten. Doch leider: Das funktioniert mit dieser Powerbank nicht.
Das perfekte Produkt ist also leider noch nicht gefunden, es darf weitergeträumt werden. Ich bin sicher, in China wird bereits daran gearbeitet.