Galileo – oder gut

Es war einmal, da war ich tatsächlich positiv gegenüber der Fernsehsendung Galileo eingestellt. Meine Kinder haben es gerne gesehen, um vermeintlich ihren Horizont zu erweitern.
Informationen aus der Sendung wurden als unverbrüchliche Wahrheiten angenommen, immerhin läuft die Sendung seit 1998 – täglich! Natürlich kann man da den einen oder anderen kleinen Fehler verzeihen, den wir gelegentlich feststellen mussten.
Hie und da musste man schon inhaltliche Tendenzen feststellen, die nicht ganz unparteiisch gewirkt haben, beispielsweise als für Urlaubsreisen extrem niedrige Freibeträge für Mitbringsel angegeben wurden, die deutlich tiefer lagen als die gesetzlichen Werte. Beeinflussung der Seherschaft, um den Kaufkraftabfluss in Urlaubsländer durch Panikmache in Grenzen zu halten? Vielleicht.
Doch hier geht es um Elektromobilität und da hat Galileo in der Sendung am 2. Dezember 2019 eine extrem schlechtes, weil einseitiges, Bild abgegeben.
Hypothetische Frage: Was passiert in Deutschland, wenn von einem Tag auf den anderen nur noch Elektroautos fahren dürfen?
Allein die vollkommen bizarre und realitätsfremden Ausgangssituation zeigt: Hier soll es nicht um Information gehen, sondern um eine möglichst extremistische Betrachtung des Elektroautos. Polsprung, Umschwenken des Golfstroms und 40 Grad im Sommer in Deutschland sind realistischere Szenarien. Dazu passt auch die geistig umnachtete Rahmenhandlung: Weil nur noch Elektroautos fahren dürfen, entwickelt sich eine Hochzeit zur Katastrophe:

  • Ständige Stromausfälle wegen der vielen ladenden Elektroautos sabotieren den Polterabend.
  • Die Schwiegereltern kommen nicht rechtzeitig an, weil sie auf eine besetzte Ladesäule treffen, dann – weil sie keine halbe Stunde warten können – einfach weiterfahren und dann in der Pampa stromlos enden.
  • Der Bräutigam hat kein Elektroauto, kann von seinen Eltern nicht mehr mitgenommen werden und muss – leider, leider – mit der Bahn fahren, die Verspätung hat.
  • Durch die nunmehr leisen Innenstädte erfährt die Wohnung der Großmutter eine so enorme Wertsteigerung, dass sie die Wohnung verkauft und am Tag der Hochzeit in den Urlaub fliegt.
  • Das E-Auto drängt den Arbeitgeber, ein Kfz-Reparaturbetrieb, des Bräutigams in die Arbeitslosigkeit.
  • Weil so viele E-Autos gebaut werden, gibt es keine Akkus mehr für neue Handys, weswegen dem Protagonisten zur Halbzeit das Handy ausfällt.

Es gibt zwar eine Art von Happy End, aber die Szenerie ist dermaßen tendenziös und einfach hirnverbrannt, dass man sich schon wundern muss, was heutzutage alles ins Fernsehen kommen darf.
Wir lernen also: Wenn du dein Handy akkuschwach ist, deine Braut keine Eltern hat, deine eigenen Eltern zu einer Hochzeit fahren, ohne 30 Minuten Puffer einzuplanen, du nicht rechtzeitig in den Zug steigst (offenbar ein familiär vererbtes Planungsproblem), dein Arbeitgeber nur von Ölwechseln lebt und du eine Großmutter hast, die dich eigentlich nicht leiden kann – dann sind das alles Probleme, die das Elektroauto verursacht.
Oder für die Braut: Wenn du dir bei einem Stromausfall den Kopf stößt, dein Zukünftiger zur Hochzeit nicht mal einen vernünftigen Handyakku beschaffen oder pünktlich erscheinen kann, dann sind das alles Probleme, die das Elektroauto verursacht.
Das Elektroauto ist also ein Riesenproblem – oder vielleicht doch Galileo.
Martin Guss – martinguss.de

2 Kommentare

  1. Ich kenne das Original nicht, aber deine Beschreibung liest sich wie eine witzige überdrehte Satire. Vielleicht hat Galileo einfach nur vergessen es entsprechend zu kennzeichnen? 😉

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